Impuls #9: Zeit, Jesus in der Schrift wie in der Eucharistie zu begegnen

Zum ersten Mal in unserem Leben gibt es jetzt ein erzwungenes „eucharistisches Fasten“. Der Grund ist das Coronavirus. Die Eucharistie ist sicherlich der Mittelpunkt unseres kirchlichen Lebens. Eucharistie ist eine Erfahrung von Gemeinschaft, eine Feier unseres Glaubens und eine Quelle des Trostes, des Zuspruchs und der Stärke. Deshalb ist es in der Tat eine schmerzhafte und traurige Situation für viele Gläubigen. Die meisten Diözesen haben Vorkehrungen getroffen, um die Eucharistiefeier im Fernsehen und im Internet zu übertragen.

In dieser außergewöhnlichen Situation kann das sicherlich eine gute Idee sein. Es ist jedoch auch eine Gelegenheit, sich auf einige der nicht so betonten Aspekte unseres Glaubens zu konzentrieren. Es ist auch eine Zeit für uns, das inkarnierte Wort im Wort selbst zu empfangen, das die Heilige Schrift ist. Es ist eine Zeit, zur Bibel zurückzukehren, anstatt darauf zu warten, nur in der Eucharistiefeier auf das Wort Gottes zu hören.

 

Von Zeit zu Zeit hat die Kirche die Gläubigen immer gelehrt, Jesus im Wort Gottes zu begegnen und ihn zu empfangen. Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt, dass „die Kirche (…) die Heiligen Schriften immer verehrt (hat) wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht. In ihnen zusammen mit der Heiligen Überlieferung sah sie immer und sieht sie die höchste Richtschnur ihres Glaubens…" (Dei Verbum, Nr. 21). Hieronymus sagt: „Wir essen das Fleisch und Blut Christi in der Eucharistie, aber auch beim Lesen der Schrift ... Ich betrachte das Evangelium als den Leib Christi." Und Ignatius von Antiochien sagt: „Wir müssen uns der Schrift als dem Fleisch Christi nähern" und schließlich Maximus: „Durch jedes Wort, das in der Bibel geschrieben ist, wird das Wort Fleisch.“ Auch Caesarius von Arles schreibt: „Wer sorglos zuhört, wird genauso schuldig sein wie der, der den Leib des Herrn fahrlässig zu Boden fallen lässt." Deshalb sprechen die Väter von „das Wort brechen", so wie das eucharistische Brot gebrochen wird.

 

Diese erzwungene Zeit des eucharistischen Fastens ist eine Gelegenheit für Viele, wieder zu entdecken, dass die Bibel nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Nahrung aller werden und in jedermanns Händen sein muss. Familien könnten sich täglich treffen, die Schriftlesungen des Tages lesen, ein wenig schweigen und in einem Moment der Fürbitte und des Gebetes abzuschließen. Der Hirtenbrief unseres Bischofs Georg „Beten üben“ gibt uns dazu sehr viele wertvolle Anregungen.  Für die Ordensleute könnte das Stundengebet die Aufgabe enthalten, das Geheimnis Christi im Rhythmus der Tageszeit zu feiern, um den Tag zu heiligen, das heißt, die Gegenwart Gottes im täglichen Leben sichtbar zu machen. Dabei kann diese Zeit der körperlichen Distanzierung gleichzeitig eine Zeit besonderer Begegnung mit Jesus sein, der in der Schrift ebenso wie in der Eucharistie gegenwärtig ist: durch gebeterfülltes Hören auf sein Wort.

 

Die Fastenzeit 2020 könnte dann eine Quarantäne sein, um sich an Gott zu erinnern. Mit Gott eine innige Nähe zu pflegen, während wir zum Heil unseres Nächsten und uns selbst auf Abstand gehen, aber trotzdem einander ganz nah sind durch das Bewusstsein: Gott verbindet uns und trägt uns! Die Quarantäne so zu verstehen, lässt uns neu erkennen: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt." (Dtn 8,3).

P. Siby Abraham CM